Leben mit Long Covid
Unsere ehemalige Schülerin Michaela Staudinger beschreibt in diesem eindrücklichen Text ihren Alltag mit Long Covid.
Liebe Mitmenschen!
Mein Name ist Michaela, ich bin 22 Jahre alt und möchte euch mit diesem Text einen kleinen Einblick in meinen Alltag geben, der sich vor nun bald einem Jahr für mich komplett auf den Kopf gestellt hat.
Denn im November 2022 erkrankte ich zum vierten Mal an dem Corona Virus und seither habe ich tagtäglich mit den dramatischen Folgen des Post-Covid-Syndroms (Stufe 3) sowie einem chronischen Erschöpfungssyndrom zu kämpfen.
Meine Erkrankung verlief damals wie eine starke Erkältung, die zusätzlich mit Schüttelfrost, extremen Gliederschmerzen, Fieber von bis zu 40 Grad, Schmerzen im ganzen Brustbereich sowie Schwindelattacken einherging. Als ich nach einigen Wochen trotz der anhaltenden Schmerzen wieder probierte, arbeiten zu gehen, ging für mich auch schon der Schuss nach hinten los. Das Stechen in meinem Herz wurde immer stärker, zudem hatte ich das Gefühl, als würde ein tonnenschwerer Sack auf mir liegen, der mir die Luft raubt und starke Atembeschwerden verursachte. Hinzu kam Herzstolpern, das mir unerklärlich schlimme Schmerzen bereitete und ein fürchterliches Ziehen in meinen Muskeln und Knochen.
Auch meine Kreislaufbeschwerden verschlechterten sich: Mein Puls lag meist bei 40, bereits nach minimalen Tätigkeiten fühlte sich mein Körper richtig schwach an und löste Schwindelattacken bis hin zur Bewusstlosigkeit aus. Selbst nach mehrmaligen Krankenhausaufenthalten kam keine Gewissheit über die Schmerzursache, ich wurde teilweise gar nicht ernst genommen und wieder nach Hause geschickt. Denn selbst organisch, wie ich immer wieder zu hören bekam, ging alles ohne Befund aus.
Der Ärztemarathon zog sich über Monate und aufgrund der noch unzureichend erforschten Krankheit stieß ich bei zahlreichen Medizinern immer wieder auf Ratlosigkeit. Die Symptomatik wurde demnach oft als Hypochondrie abgetan und ich blieb mit meinen Beschwerden letztendlich mir selbst überlassen. Die Hoffnung habe ich dennoch nie aufgegeben und eine erstmalige Gewissheit über meine Symptomatik erhielt ich in einer Rehabilitationsanstalt für Herz- und Lungenkranke, die ich im Frühjahr 2023 besuchen durfte. Diese Reha ist auch für Post-Covid Patienten ausgelegt und so lernte ich innerhalb kürzester Zeit nicht nur Leidensgenossen kennen, sondern auch eine genauere Aufklärung über das Post- Covid-Syndrom.
Damals setzte ich viel Hoffnung auf die Rehabilitation, ich fühlte mich sehr gut aufgehoben, jedoch konnte ich aufgrund der starken Schmerzen, meiner Herz-Kreislaufbeschwerden und der ständigen Energielosigkeit die Therapien nicht regelmäßig absolvieren und ich verbrachte einen großen Teil meiner Zeit alleine in dem kleinen Zimmer, das ich für fünf Wochen bewohnte. Aus der Vision, schmerzfrei oder bestenfalls geheilt wieder nach Hause zu kommen, meinen Alltag bestreiten zu können, mich mit Freunden zu treffen, ohne dabei Schwindelattacken zu erleiden, eine neue Ausbildung zu starten, meinen Hobbys nachzugehen, Berge zu besteigen, wandern zu gehen, entwickelte sich
der Boden der Realität: Dauerhafte Schmerzen im ganzen Körper, die mir selbst in den Nächten den Schlaf raubten. Die steigenden Temperaturen des diesjährigen Sommers prägten die Atem- beschwerden noch viel stärker aus, ich wurde oft nach wenigen Stunden munter und rang teilweise bis in die Morgenstunden nach Luft. Zudem verschlechterten sich meine Blutwerte drastisch, meine geschwollenen Lymphknoten bereiteten mir große Schmerzen und demzufolge wurde ich auf
weitere schwerwiegende Krankheiten untersucht.
Aktivitäten, die ich früher nicht einmal bewusst wahrgenommen hätte, sei es aus dem Bett zu kommen, mich anzuziehen, Treppen zu steigen oder auch nur kleine Hausarbeiten zu erledigen, erscheinen mir heute als große Erfolgserlebnisse, die mir jedoch sehr viel Energie rauben. Denn bereits nach den kleinsten Aktivitäten ist mein Körper sofort überlastet und ich erleide einen Schwächeanfall, der mich für einige Stunden bis hin zu mehreren Tagen ans Bett fesselt. Selbst nach all den Monaten fällt es mir sehr schwer, meine Erkrankung einzuschätzen, da sich mein Energie- und Schmerzpensum phasenweise über den Tag verändert.
Aktuell verbringe ich die meiste Zeit meiner Tage nur noch im Bett. Mein Zustand hat sich über die letzten Monate stark verschlechtert und es treten laufend neue Symptome und zusätzliche Beschwerden auf. An guten Tagen versuche ich, raus in die Natur zu kommen oder meinem Alltag
etwas nachzugehen. Zwei- bis dreimal wöchentlich bemühe ich mich, im Zentrum für kardiologische Rehabilitation die Therapien wahrzunehmen, wobei ich auch diese nicht regelmäßig bewältigen kann.
Die Hoffnung auf eine erstmalige Besserung meines Zustandes erlangte ich nun, als ich von der sogenannten H.E.L.P.-Apherese erfuhr. Diese heparin-induzierte extrakorporelle Behandlungsform, welche in Österreich nicht angeboten wird, spricht besonders bei Post-Covid Patienten gut an und
verspricht eine Heilungschance von 85% bei 8-9 von 10 Behandelnden. Die Kosten dieses Verfahrens liegen im 5-stelligen Bereich, eine Behandlung beträgt 2000€ und im Schnitt werden 5-6 Behandlungen benötigt, um nachhaltige Erfolge zu erzielen. Trotz der kostspieligen Behandlungsmethode erscheint mir die Blutwäsche wie ein erster Lichtstrahl in diesem nicht zu enden scheinenden Gewitter, das nun seit Monaten über mir herrscht.
Ich habe es mir zum Ziel genommen, nicht nur einen Weg zu finden, der eine Lösung für meine Problematik verspricht, sondern diesen auch auszuprobieren und so werde ich am 3. November 2023 diesen Weg auf mich nehmen und in die Schweiz reisen. Das ist mein Versprechen an mich, in der Hoffnung, wieder vollständig zu genesen, und dadurch auch meine Lebensfreude, das Strahlen und die Energie wieder zurück zu gewinnen!